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Berufsbild: Arbeit im Rettungsdienst

von Sven Schimmel (Kommentare: 0)

Patientin steigt in den RTW ein
Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

Was passiert eigentlich, wenn etwas passiert ist? Medizinische Notfälle oder Unfälle sind im individuellen Einzelfall zwar meist selten, sind für die Betroffenen und deren Umfeld aber immer eine Ausnahmesituation, ein Stressfaktor. Da ist es doch schön zu wissen, dass es Leute gibt, die von Berufs wegen auf solche Notfälle warten. Warten, um zu helfen. Manchmal sind sie sogar Lebensretter. Keine leichte Aufgabe: Wochenend- und Feiertagsdienst, 12- oder 13-Stunden-Schichten, leidvolle Erfahrungen und Erinnerungen, ungewisse Rechtsprechung und manchmal Machtlosigkeit.

Ein medizinischer Notfall, gleich welcher Art, ist immer ein prägendes Ereignis für die Betroffenen und ihr Umfeld, eine Ausnahmesituation. Da ist es doch schön zu wissen, dass es überall in Deutschland Kräfte gibt, die rund um die Uhr eine medizinische Erstversorgung sicherstellen können. Von Berufs wegen und vor allem aus innerer Überzeugung heraus.

Stephan Schmidt
Stephan Schmidt - Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

Es ist 18.00 Uhr am Abend. In der Rettungswache der Johanniter Unfall Hilfe beginnen Stephan Schmidt (Bild rechts) und Sven Enderlein ihren Dienst. Sie sind für den RTW, den Rettungswagen eingeteilt. Stephan ist Rettungsassistent, Sven ist Rettungssanitäter, bildet sich aber gerade zum Assistenten weiter.

Gleiche Zeit, ein anderer Ort. Hier ist André Böhme, auch Rettungssanitäter, bereit, um gemeinsam mit dem Notarzt zu den akut Erkrankten zu eilen.

Alle drei haben eine 12- bzw. 13-Stunden-Schicht vor sich, übernehmen ihre Fahrzeuge, kontrollieren ihre Arbeitsmittel - die digitalen Piepser immer am Mann. Es wird, wie immer, eine ungewisse Nacht, denn keiner der drei weiß, was sie in ihrer Schicht erwartet. Und doch sind sie für alle Situationen gewappnet, die Ausbildung ist intensiv gewesen, es gibt ständige Weiterbildungen. Doch eine gewisse Spannung ist bei jedem Einsatz zu spüren, jeder Notfall ist schließlich eine neue Herausforderung.

„Ja, ich denk, man braucht schon ne Weile, um da rein zu kommen und sich klar zu machen, dass man ein Stück weit Verantwortung hat.“, sagt Stephan Schmidt, Rettungsassistent bei der Johanniter Unfall Hilfe, Rettungswache Lugau.

Manchmal improvisieren

Sven Enderlein
Sven Enderlein - Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

"Die Einsatzmeldung, die wir auf dem Piepser erhalten, gibt ja einen ersten Hinweis. Und da rotiert es schon im Kopf, wie man das ganze abarbeiten könnte. Und da diese Meldung auch nicht immer stimmt, gibt es schon mal Situationen, wo man da auch improvisieren muss.“, ergänzt Sven Enderlein (Bild rechts), Rettungssanitäter der gleichen Organisation.

Das Team im Rettungswagen ist oft zuerst am Ort des Geschehens, übernimmt die Verantwortung für den Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes. Mit Blaulicht und Martinshorn geht´s durch die nächtlichen Städte und Dörfer im ländlichen Raum – erwartet von denen, die nach Hilfe gerufen haben.

Ob Herzprobleme, Schlaganfälle, innere und äußere Verletzungen oder plötzliche Erkrankungen, Knochenbrüche oder Verletzungen im Bereich Schädel-Hirn – nach spätestens zehn Minuten sollten die Retter da sein. Kein leichtes Unterfangen, sind doch zum Teil weite Strecken zu bewältigen. Eine Stress-Situation. Von Null auf Hundert in wenigen Sekunden, das geht schon manchmal an die Substanz. Aber ist es auch Routine?

Routine darf nicht aufkommen

André Böhme
André Böhme - Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

Routine" ist wohl sicher das falsche Wort. Zwar haben die Retter in der Schule die verschiedensten Situationen immer und immer wieder geübt, haben Verhaltensregeln gepaukt - und das ist in Fleisch und Blut übergegangen, aber jede Situation ist eben anders.

Bis es aber soweit ist, ein Einsatz kommt, heißt es Warten. Im Nachtdienst ist die RTW-Besatzung allein in der Rettungswache, vertreibt sich die Zeit mit Gesprächen, dem Fernsehprogramm oder den notwendigen Formalitäten.

Auch der Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeuges, kurz NEF, wartet. Er ist allein. Der Arzt oder „der Doc“, wie er hier oftmals genannt wird, hat Dienst im Krankenhaus oder ist zu Hause, wird bei einem Einsatz von dort abgeholt. Die Tätigkeit im NEF unterscheidet sich aber nicht grundsätzlich von der im RTW, die Rettungssanitäter und -assistenten haben die gleiche Verantwortung wie ihre Kollegen auf dem RTW. 

Bis es aber so weit ist, müssen Rettungssanitäter und Notarzt gut zusammenspielen. Der eine fährt, der andere muss in die Karte schauen, um den genauen Ort und die Fahrtroute zu bestimmen. Und hier wird deutlich, wie wichtig es doch ist, dass Hausnummern gut sichtbar an den Häusern angebracht sind. Fehlen sie, kostet die Suche unnötig Zeit und dem Patienten unter Umständen das Leben.

Rettungswagen im Einsatz
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Am Notfallort treffen sich NEF und RTW. Im ländlichen Raum hat sich das sogenannte Rendezvous-Verfahren etabliert. Und dann laufen die Schemen entsprechend des Krankheitsbildes ab.

Unter Umständen fährt der Rettungswagen auch allein zum Patienten, bei weniger akuten Notfällen. Es besteht aber immer die Möglichkeit, einen Arzt nachzufordern.

Die Tätigkeit im Rettungsdienst ist nicht einfach. Es gehört eine Menge Wissen und Können dazu. Natürlich auch Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, gewisse Opfer zu bringen. Bürden gibt´s zwar bestimmt in jedem Beruf, das Besondere hier ist aber die hohe Verantwortung am Menschen. Auch Weihnachten, Silvester oder Wochenenden fallen dem Dienst zum Opfer und die Angehörigen bleiben allein zu Haus.

Gemeinsam Erlebtes verarbeiten

In der Notaufnahme
Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

Darum nehmen die meisten Retter ihre Gedanken und Gefühle auch nicht mit nach Hause, um ihre eigenen Angehörigen nicht extra zu belasten. Erlebtes wird unter den Kolleginnen und Kollegen ausgewertet, diskutiert. Kollegen haben Verständnis, sind vom Fach, können Ratschläge und Tipps geben, ermuntern oder sind einfach nur Gesprächspartner, um über Situationen hinweg zu kommen. Denn manche Einsätze lassen sich nicht einfach so wegstecken: verstorbene Patienten, Arbeits- und Verkehrsunfälle mit unglücklichem Ausgang. Das schwierigste für die eigene Psyche seien aber Todesfälle bei Kindern, so die Retter.

Aber auch, wenn Bekannte, Kollegen, Freunde oder Verwandte betroffen sind, kann das ganz schön an die Nieren gehen. Ein Sensibelchen darf man deshalb nicht sein, aber dennoch sensibel genug, um mit Einfühlungsvermögen am Patienten zu arbeiten, manchmal auch die Angehörigen zu beruhigen. Für Betroffene ist es schließlich eine außergewöhnliche Situation, den meisten passiert so etwas nur ein Mal im Leben. Fingerspitzengefühl ist darum unentbehrlich, schließlich haben alle Patienten ein Recht auf gute Hilfe.

In manchen Fällen ist das Rettungsdienst-Personal dennoch machtlos oder setzt sich einem höheren Risiko aus. Jeder kennt die Diskussionen und Fakten beispielsweise zum Thema Aids oder Patienten werden handgreiflich. Die Tätigkeit also ein gewisses Risiko trotz guter Ausstattung und Technik? In gewisser Weise schon, denn Momente eines höheren Risikos sind nicht selten.

Risiken aber auch aus Richtung der Gesetzgebung, denn beispielsweise Regelungen zur Notkompetenz eines Rettungsassistenten sind derzeit noch wie Gummi. Manchmal ist es ein schmaler Grat zwischen der Verpflichtung, helfen müssen und einer noch uneinheitlichen Rechtsauffassung zu den Kompetenzen. Auf allen Gebieten immer dem neuesten Stand zu sein, ist regelrecht Pflicht und Grundlage bildet eine fundierte Ausbildung. Die Wege zum Rettungsdienst sind unterschiedlich: über den Zivildienst, über Umschulungen, Lehrgänge usw. Bereut haben es bis heute alle nicht.

André Böhme
André Böhme - Bildrechte: Schimmel/KabelJournal

Irgendwann ist die Nacht vorbei. Geschlafen haben sie wenig, NEF-Fahrer André Böhme (Bild rechts) hatte ganze sieben Einsätze zu fahren, das ist über dem Durchschnitt.

Dienstübergabe an die Tagschicht, ein Kaffee und Auf Wiedersehen. Wann sich die Kollegen wiedersehen, ist oft unbestimmt. Bei den Johannitern gibt es keine festen Teams, dafür ein rotierendes System. Und dann ist ja auch noch die andere Aufgabe zu bewältigen: Patiententransporte mit dem KTW – dem Krankentransportwagen.

Aber, es ist doch beruhigend, dass es sie gibt – die Rettungssanitäter und -assistenten in den Wachen – überall in Deutschland.

 

Stand / Produktion Film: Dezember 2002

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Die Reportage von Autor Sven Schimmel können Sie sich hier jederzeit via Internet ansehen:

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